Oslo - Longyearbyen, Spitzbergen - Arktiskreuzfahrt "Polarbear special" 2011

Eisbär zum Frühstück

Nach der Antarktis wollte Chris natürlich sehr gerne in die Arktis, um auch die andere Seite der Erdkugel zu erkunden. Eisbären faszinierten uns schon immer und nach der Fahrt in die Antarktis hatten wir auch keinerlei Ängste mehr vor einer weiteren Schiffsreise. Eigentlich wollten wir dieses Jahr nicht mehr so weit in den Norden. Doch es kam mal wieder ganz anders als geplant.
Auf der Reisemesse F.R.E.E. in München erzählte uns Herr Dr. Hünseler von Leguan Reisen nebenbei von einer speziellen Eisbärenreise mit dem klangvollen Namen "Polar Bear Spezial" Ich musste gar nicht mehr in Chris leuchtende Augen schauen, um zu wissen, dass ich keine Chance hatte, auf eine andere ‚Kurzreise' in diesem Jahr.
Mit der Entscheidung ließen wir uns zwar noch etwas Zeit, aber als unsere Freunde, Kerstin und Uwe, (www.foto-passion.com) anboten mitzukommen, war die Reise so gut wie gebucht. Natürlich konnte es nur noch diese Reise sein, da im Vordergrund ganz eindeutig die Eisbären stehen würden. So wurde unser Ziel die Inselgruppe Spitzbergen, die sich im Nordatlantik und dem arktischen Ozean befindet. Sie wird von Norwegen aus verwaltet und heißt dort Svalbard, was so viel wie "Kühle Küste" bedeutet.
Die Vorbereitung hielt sich in Grenzen, da wir durch die Antarktisreise schon alles besorgt hatten. Nur ein paar Gummistiefel mussten wir noch kaufen. Wir entschieden uns für die Polar-Gummistiefel von Viking. Es war zwar keine Liebe auf den ersten Blick, aber wir haben den Kauf nicht bereut, auch wenn sie mit 2,5 kg pro Stiefelpaar schon recht schwer waren. Die Zeit verrannte nur so und auf einmal standen wir kurz vor der Abreise. Jetzt stieg natürlich die Nervosität ein wenig, aber als "alte Seebären" waren wir nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Die Taschen waren schnell gepackt und wir kamen auch nicht über die Freigepäckgrenze von 23 kg pro Koffer.
Donnerstag, 23.06.2011
1. Tag

Am Abreisemorgen klingelte unser Wecker sehr früh, denn unser Flug nach Oslo startete schon um 8 Uhr morgens. Nach all den Flugreisen hatten wir mittlerweile eine gewisse Routine intus – so auch an diesem Tag. Kaum erklang der erste Ton waren wir hellwach und sprangen aus den Betten. Schnell verstauten wir noch ein paar restliche Dinge und schon brachte Chris die Taschen zum Auto. Wir knuddelten unsere Katzen noch einmal intensiv und verließen bald darauf die Wohnung.
Diesmal mussten wir zum Lufthansa-Terminal. Auf dem Kurzzeitparkplatz luden wir unsere Taschen und die nicht gerade leichte Fotoausrüstung auf einen Trolley und schon waren wir auf dem Weg zum Drop-off Schalter, da wir unsere Tickets schon daheim ausgedruckt hatten. Wie immer schwitzten wir etwas, da unsere Fotorucksäcke zwar von der Größe durchaus in der Norm lagen, aber nicht vom Gewicht. Wie soll das eigentlich gehen? In die Koffer legen wir die Optiken nicht mehr, denn wenn man einmal sieht, wie mit den Taschen umgegangen wird, dann verkneift man sich das. So wird alles, was der Mensch zum Fotografieren braucht in den Rucksack gezwängt und dann muss man auch noch so tun, als ob der Spaß keine 12 kg auf dem Rücken ausmachen würde. Zum Glück interessierte sich niemand für unser Handgepäck. Wir winkten den Koffern hinterher, die auf dem Laufband in den Hallen des Flughafens verschwanden. Wir frühstückten gemütlich am Flughafen und telefonierten mit Kerstin und Uwe, die auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen waren. Die Zwei würden wir in Oslo treffen.

An Bord der Lufthansa Maschine gab es ein leckeres Müsli während wir hoch über den Wolken bei schönstem Sonnenschein Oslo entgegen flogen. Ab und zu konnte man durch die Wolken etwas von der Landschaft erahnen. Wir sahen viel Wald und Grün, blau schimmerndes Wasser und schön geformte Landstriche.
In Oslo angekommen, kam relativ schnell unser Gepäck und wir marschierten durch den Sicherheitsbereich hinaus in den Flughafen. Zum Glück war es dort recht übersichtlich. An einem Bankterminal nutzten wir gleich die Möglichkeit Geld umzutauschen. Wir schauten uns ein wenig um und entschieden nach einem Blick auf die Ankunftstafel, dass wir schon mal in unser Hotel fahren würden. Der Flieger aus Frankfurt hatte nämlich mindestens 30 Minuten Verspätung und so hätten wir noch 2,5 h warten müssen. Wir entschieden uns für den normalen Zug, denn das ist die preiswerteste Variante, um nach Oslo hinein zu fahren. Das Ticket holten wir an einem Schalter in der Nähe der Aufzüge zu den Bahngleisen und zahlten dafür 110 Kronen. (ca. 13.50 € p.P.)
Nach Oslo hinein hätten wir auf unterschiedlichste Weise fahren können. Am billigsten war unser Zug, der aber nur einmal stündlich fuhr. Etwas teurer war der Schnellzug, der alle 20 Minuten Oslo für 180 NOK entgegenfuhr. Ein Taxi kostete als Station Wagen 500 NOK und als Van 900 NOK. Es fuhren aber auch Busse, deren Preis jedoch auch über den 110 NOK lag.
15 Minuten später saßen wir im Zug und brausten dem Zentrum von Oslo entgegen, das wir nach ca. 25 Minuten Fahrt erreichten. Dicke dramatisch ausschauende Wolken hingen über Oslo, doch ab und zu schien auch mal die Sonne und beleuchtet die Landschaft, an der wir vorbeibrausten.
Am Hauptbahnhof von Oslo S (Sentralstasjon) stiegen wir aus und gingen zum Ausgang Nord. Auf einer kleinen Brücke, die den Hauptbahnhof mit einem Einkaufszentrum verbindet, entdeckte Chris unser Hotel das Clarion Royal Christiania. Es lag nur rund 3 Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Dazu mussten wir uns jedoch zuerst durch ein Einkaufzentrum wurschteln, aber irgendwann fanden wir den richtigen Ausgang und kamen dem Hotel immer näher. Unsere Taschen hatten zwar Rollen, aber sie hingen trotzdem wie Bleigewichte an unseren Armen, so dass ich mich vorsichtig umschaute, ob nicht ein blinder Passagier auf meiner Tasche saß. Ich sah schon bildlich vor mir, wie meine Arme länger und länger wurden und sich auf der Tasche ein norwegischer Gnom vergnügt die Hände rieb. Doch irgendwann war es geschafft und wir standen in der Lobby. Hier gefiel es uns auf Anhieb, wozu natürlich nicht unwesentlich die tolle Lage zum Bahnhof beitrug. Über den Eingang West, war der Fußweg zum Hotel sogar noch kürzer, aber das stellen wir erst im Laufe des Tages fest.
Unser Zimmer lag im 8. Stock und ein geräumiger Glasfahrstuhl brachte uns hinauf. Die Gänge waren anfangs etwas verwirrend, aber dank der Raumwegweiser fanden wir relativ schnell unser Zimmer. Es war klein und sauber. Die Aussicht aus dem Fenster ging auf den überdachten Innenhof, bzw. das Restaurant wodurch es sehr ruhig war. Wir machten uns etwas frisch und erkundeten dann die Hotel- und Bahnhofsumgebung. Auffällig waren die vielen betrunkenen Menschen, die schon am frühen Nachmittag auf den Straßen herumtaumelten. Ein paar hatten sicher auch Drogen genommen, denn sie kreiselten orientierungslos durch die Gegend. Das war für uns ein sehr ungewohnter Anblick.
Unser Weg führte uns ans Meer. Von einer Fußgängerbrücke aus blickten wir auf die interessant gestaltete Oper und zwei große Schiffe, die im Hafen lagen. Das Opernhaus wurde 2008 fertiggestellt. Es gilt als größtes norwegisches Kulturprojekt der Nachkriegszeit und besteht zu 90% aus weißem italienischem Carrara Marmor und zu 10% aus Granit. Das Gebäude soll einen treibenden Eisberg darstellen. Um ca. 16 Uhr gingen wir zurück ins Hotel, dort waren Uwe und Kerstin gerade angekommen. Nach einer kurzen Verschnaufpause machten wir uns zu viert auf dem Weg in die Stadt. Das Wetter war uns wohl gesonnen. So hatte der Wind die Wolken vertrieben, die Sonne lachte und es war richtig warm. Noch einmal erkundeten wir die Hafengegend und besuchten die Oper. Dort kann man auf das Dach hinaufgehen und hat einen schönen Überblick über Oslo. Die Stadt der Kräne, wie wir sie nannten, denn egal wohin man schaute – es wurde gebaut. Der weiße Marmor strahlte geradezu, so dass es schon fast in den Augen wehtat.

Danach stürzten wir uns in die Fußgängerzone und schauten uns ein paar Geschäft an. Witzig fanden wir, dass so viele Menschen in Oslo mit Gummistiefeln unterwegs waren. Von klobig bis modisch adrett waren sie ein fester Bestandteil auf Oslos Straßen. Durch die Stadt schlenderten wir vorbei am Parlamentsgebäude, einem schönen Park mit Springbrunnen bis zum Königspalast. Dort brannte Licht und königliche Wachen patrouillierten. Es war wohl jemand daheim, aber bis auf die sehr ernst schauenden Wachen sahen wir niemanden.
Als sich hinter dem Palast eine Regenfront zusammen braute, beschlossen wir, zum Hotel zurück zu wandern. Unterwegs meldeten sich so langsam unsere Mägen. An einem amerikanischen Burgerrestaurant studierten wir hungrig die Speisekarten. Wow, die Preise hatten es aber in sich. Trotzdem entschlossen wir uns zu bleiben, denn von irgendetwas muss der Mensch ja leben. So gönnten wir uns einen leckeren Burger für umgerechnet 22 € pro Portion, aber zumindest das Wasser war gratis. Später ließen wir uns noch bei Kerstin und Uwe auf dem Zimmer ein Gläschen Wein schmecken und prosteten auf den Urlaub an.

Freitag, 24.06.2011
2. Tag
Nach einem Blick aus dem Fenster sahen wir, dass der Wetterbericht für den heutigen Morgen nicht zu viel versprochen hatte, denn es war sehr dunkel und Regentropfen prasselten auf das Dach.
Wir beschlossen ausgiebig zu frühstücken, denn unser Anschlussflug nach Longyearbyen ging erst um 20.40 Uhr.
Um 7.30 Uhr klopfte Chris mal vorsichtig bei Kerstin und Uwe an die Zimmertür, aber nichts tat sich. „Die zwei Langschläfer“ - grinsten wir uns an und schrieben einen frechen Zettel, den wir den beiden vor die Tür legten. Nur hatten wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn als wir von oben auf den Frühstücksraum blickten, saßen die Zwei schon putzmunter am Tisch und winkten uns zu. Oh, da waren wir wohl hier die Langschläfer.
Das Frühstücksbuffet war einfach nur klasse und so schlemmten wir uns durch Berge von Eiern und Speck, Wurst und Käse, Waffeln, Müsli, Obst, Lachs- und andere Fischspezialitäten. War das lecker!
Um 13 Uhr brachten wir die Koffer an die Rezeption, wo sie in einem verschlossenen Raum eingelagert wurden. Uwe und Chris checkten uns schon mal am Hotelrechner für den Flug nach Spitzbergen ein und ließen sich die Tickets ausdrucken.
Wir schlenderten noch etwas durch die Stadt und bummelten durch ein paar Kaufhäuser, bis wir uns auf den Weg zum Flughafen machten. Wieder nahmen wir den „normalen“ Zug, der uns um 15.32 Uhr mit etwas Verspätung zum Flughafen brachte. Zum Glück bekamen wir noch ein paar Sitzplätze, denn der Zug wurde sehr voll. Dumm war nur, dass wir ohne es zu merken in einem Ruheabteil gelandet waren. Natürlich unterhielten wir uns, bis uns ein Mann stumm mit wütenden Gesten und fast schon auf Zehenspitzen auf die Schilder in norwegischer Schrift und deutlichem Symbol aufmerksam machte. Wir versuchten nun lautlos zu lachen und wären fast geplatzt. Mit hochroten Köpfen und zuckenden Schultern saßen wir da und feixten vor uns hin. Wieder flog die Landschaft an uns vorüber – fast die gleiche tiefblaue Regenstimmung mit fantastischen Wolkenformationen wie am Vortag. Einfach schön!
Am Flughafen angekommen holten wir uns gleich Gepäckwagen und begaben uns zum Check-in-Schalter. Trotz unserer Bedenken interessierte sich wieder niemand für unser „leichtes“ Handgepäck.
Wir schlenderten noch ein wenig durch die Flughafengeschäfte und aßen Abendbrot bei Pizza Hut.

Pünktlich um 20.40 Uhr hob unser Flieger ab. Wir hatten Fensterplätze und sahen weit über die schöne waldreiche Landschaft. Bald waren wir über den Wolken und lehnten uns entspannt zurück. Der Flieger war nicht ausgebucht und wir hatten drei Sitze für uns. Schon am Flughafen beobachteten wir ein Filmteam, aber nun wurde es erst so richtig interessant. Irgendein wichtiger weißhaariger Mann mit wirrer Mähne wurde interviewt. Dazu quetschte sich der Kameramann zwischen die wirklich geduldigen Fluggäste und hielt ihnen über die Köpfe hinweg ein riesiges Mikrofon. Wir überlegten, ob wir den Mann kennen oder kennen sollten. Wir kamen jedoch zu dem Schluss, dass es irgendein verrückter Wissenschaftler sei, der sich z. B. mit der Vermehrung von Plankton beschäftigte und nun seine neuesten Erkenntnisse dem norwegischen Volk näher bringen wollte. Wir hatten unseren Spaß und es war besser als Fernsehen. Die Zeit verflog nur so und schon begannen wir mit dem Landeanflug auf Longyearbyen. Unter uns breitete sich eine fantastische Landschaft aus. Schneebedeckte Berge und riesige Gletscher lagen im funkelnden Wasser direkt vor unseren Augen. Die Wolken hatten sich gelichtet und obwohl es Mitternacht war, strahlte uns die Sonne entgegen.

Während wir auf unser Gepäck warteten lichteten sich die Reihen der wenigen Taxis. Chris war schon ganz aufgeregt, aber ein Bus wartete bis auf die letzten Gäste und brachte jeden Einzelnen zu seinem gebuchten Hotel. (50 NOK = 6,5 € p. P.)
Der größte Schwung Menschen wurde, so wie wir, beim Spitzbergen Guesthouse ausgespuckt. Das Gästehaus liegt etwas außerhalb der Stadt im Ortsteil Nyben und ist eine ehemalige Bergarbeiterunterkunft mit Gemeinschaftsbädern. Von hier aus hat man eine schöne Aussicht auf die Stadt und das Meer.
Wir stürmten zur Rezeption, doch Stopp, zuerst mussten wir im Vorraum die Schuhe ausziehen, dann bekamen wir unsere Zimmerschlüssel. Schuhe wieder an und rüber in das Haus zwei. Dort Schuhe wieder aus und auf Socken in den ersten Stock zu unseren Zimmern.
Zum Glück waren wir auf ein schlichtes Zimmer eingestellt, aber wir schauten doch etwas dumm, als wir den Raum sahen. Er war sehr klein mit einem winzigen Schreibtischlein, einem Minischrank und zwei unbezogenen Einzelbetten. Nirgendwo war Bettwäsche zu sehen. Uwe und Chris stürmten wieder los und ergatterten erfolgreich die letzten Garnituren an Bettwäsche, die wir sogleich über die Inletts zogen. Aber was nun. Wir waren überhaupt noch nicht müde und die Männer hatten einen Bärenhunger. Wir beschlossen, den Ort zu erkunden und machten uns auf den Weg. Also in Socken durch den Flur und wieder Schuhe angezogen. Die Sonne schien immer noch, daran würden wir uns für die nächsten Tage gewöhnen müssen, denn hier „oben“ geht sie zu dieser Jahreszeit nicht unter. Sie steht nachts ca. 30° am Himmel und steigert sich tagsüber auf ca. 45°. Auf dieser Höhe wandert die Sonne einmal um den Horizont herum.
Es ging wohl einigen so wie uns, denn ein junger Mann wanderte uns voraus und immer wieder kamen uns einige Menschen entgegen.
Der Ort, eine ehemalige Bergarbeitersiedlung, besteht aus vielen bunten Holzhäusern, die auf Pfählen gebaut wurden. Heutzutage gibt es nur noch eine Steinkohlezeche nahe der Stadt, die hauptsächlich das eigene Kraftwerk versorgt. Longyearbyen lebt größtenteils vom Tourismus und der Forschung. Der Ort verfügt über eine gute Infrastruktur mit vielen Geschäften (hauptsächlich Souvenir und Outdoorbekleidung), es gibt eine Schule, ein Kino, ein Schwimmbad, einen Hafen, einen Flughafen und eine Außenstelle des norwegischen Polarinstitutes.
Überall standen wahllos Schneemobile herum, so als ob der Besitzer vom Frühling überrascht wurde und an den unmöglichsten Stellen sein Schneemobil stehen lassen musste. Die Schlüssel steckten und auch Benzin war vorhanden.
Im Ort entdeckten wir neben diversen Geschäften auch den Supermarkt, in dem man zollfrei im integrierten „Nordpol“ Getränke einkaufen kann. Chris inspizierte auch einen Pub, der total abgedunkelt eine nächtliche Atmosphäre vorgaukelte.
Uwe und Chris hatten beide so einen Bärenhunger, dass sie schon fast verzweifelt nach einem Imbiss Ausschau hielten. In der Nähe des Pubs roch es auf einmal nach Pommes und die zwei standen witternd auf der Straße, doch die vermeintliche Frittenbude entpuppte sich als Öko-Taxi, das vor dem Pub auf dem Parkplatz stand und diesen leckeren Geruch aus dem Auspuff abgab. Wir sahen die zwei schon bildlich vor dem Taxi knien und gierig die Luft einschnuffeln, aber soweit kam es dann doch nicht.
So langsam wurden wir müde und begaben uns auf den Rückweg. Es ist schon eigenartig, wenn man bei schönstem Fotolicht kaum noch die Augen aufhalten kann und sich total müde zur Unterkunft zurückschleppt und sofort in einen tiefen Schlaf sinkt.

Samstag, 25.06.2011
3. Tag

Um 8 Uhr morgens öffneten wir verschlafen bei schönstem Sonnenschein unsere Augen. Nach einer erfrischenden Dusche gingen wir in Haus 1, wo es Frühstück gab – natürlich auf Socken. Das Frühstück war okay. Es gab Müsli, Obst, Wurst und Käse. Der Kaffee war in Ordnung und das Brot sehr gut.

Danach wollten wir etwas die Landschaft außerhalb des Ortes erkunden, aber die Schmelzwasserbäche machten bald unseren Versuch zunichte, ohne nasse Füße weiter zu kommen. So beschlossen wir, wieder in den Ort hinein zu gehen. Wir bummelten etwas durch die Geschäfte und Kerstin bekam neue wind- und wasserfeste Handschuhe. Wir bestaunten den hiesigen Supermarkt mit dem integrierten "Nordpol" in dem man zollfrei Wein, Schnaps und Bier auf sein Flugticket einkaufen konnte und wo wir uns später auch "austobten". Vorbei am Pub und anderen Geschäften wanderten wir zum Hafen und schlenderten am Wasser entlang. Immer wieder flogen wütend schimpfende Arktische Küstenseeschwalben (Sterna paradisaea) auf und griffen uns kreischend an, ohne uns jedoch zu treffen. Wir liefen bis zu unserem Pier, an dem unser Schiff ablegen würde, hielten unsere Nasen in den eisigen Wind und freuten uns schon auf den morgigen Tag, an dem unser Eisbärenabenteuer beginnen würde.

Auf dem Rückweg besuchten wir die Touristeninformation und erkundigten uns – wieder auf Socken - nach dem bekannten Eisbärenwarnschild, das wir alle sehr gerne fotografieren wollten. Natürlich lag es genau am anderen Ende der Stadt und wir beschlossen, es am Nachmittag aufzusuchen, denn wir wollten ja noch ein paar Getränke aus dem Supermarkt besorgen. Zum Mittag hatten wir mächtig Hunger und kauften im Supermarkt gleich noch Buletten mit Kartoffelbrei ein, die wir draußen in der Sonne verspeisten. Gut gestärkt und schwer bepackt machten wir uns auf den Rückweg zu unserer Unterkunft.
Unterwegs entdeckte Kerstin ein Rentier, das gemütlich mitten in der Stadt graste. Wir trauten unseren Augen kaum, denn aus der Antarktis waren uns die Rentiere als sehr scheue Fluchttiere bekannt. Aber dieser Bursche hier schaute uns nur schief an und futterte weiter. Alle zückten ihre Kameras, während ich auf unsere Einkäufe aufpasste und amüsiert Mensch und Tier beobachtete. Zu dritt näherten sie sich langsam und behutsam Rudolph, der trotz fressen immer darauf achtete, dass ein Mindestabstand eingehalten wurde. So lange fraß er ruhig weiter, kamen ihm die drei aber zu nahe, rollte er mit den Augen und preschte kurz auf sie zu, um dann an ihnen vorbeizurennen und in sicherem Abstand weiter zu fressen, oder er trollte sich gleich ein Stück weiter den Berg hinauf. Es war eine Show. Irgendwann kraxelte Rudolph dann den Berghang richtig hinauf, durch ein Schneefeld hindurch. Chris und Uwe hinterher, während Kerstin zu mir zurückkam. Zu zweit amüsierten wir uns gleich noch viel mehr über die Rentier-Paparazzi. Als Rudolph dann einen Scheinangriff auf Chris machte, ließen die zwei ihn in Ruhe weiter grasen und kamen zu uns zurück.

Auf dem Zimmer verstauten wir ein paar unserer Einkäufe im Kühlschrank der Gemeinschaftsküche und ruhten "kurz" auf unseren Betten aus. Zwei Stunden später schreckten wir hoch. Mist, jetzt hatte der Supermarkt gleich zu und wir wollten doch eigentlich noch ein paar Sachen inklusiver einer Semmel zum Abendbrot einkaufen. Uwe und Chris stürmten los, während wir Frauen uns gemütlich fertig machten und dann den Männern folgten. Natürlich kamen die zwei zu spät und warteten erfolglos auf einer Bank vor dem Markt auf uns. Egal, irgendwas zu essen würden wir schon finden. Wir schlenderten aus dem Ort hinaus auf der Suche nach dem Eisbärenschild.
Unterwegs trafen wir auf ein paar richtig wütende Küstenseeschwalben, die laut kreischend auf uns losgingen. Schilder hatten schon vor den frechen Vögeln gewarnt. Aber diesmal kamen sie uns gerade recht, denn wir hatten natürlich unsere Kameras dabei. Besonders Uwe wurde immer wieder von einigen Vögeln attackiert. Vielleicht war sein Objektiv besonders reizvoll oder seine Mütze? Zuerst loteten sie den Abstand aus und dann versuchten sie immer näher zu kommen. Ohne Kamera hätten wir die Vögel sicher auch mal in den Haaren gehabt, aber so zischten sie nur am Objektiv vorbei. Ab und zu spürte man einen Lufthauch und hörte die Flügel schlagen, wenn sie dicht am Kopf vorbei zischten. Chris legte sich zum Teil auf die Straße und wehrte die Vögel mit dem Bein ab. Natürlich machte er nebenbei Bilder und wir von ihm. Wenn man weit genug von ihrem Platz weg war, beruhigten sie sich wieder und man konnte ungehindert weiter gehen bis zu den nächsten Brutpaaren. Dabei brüteten sie wohl noch gar nicht richtig, denn als wir am nächsten Tag den gleichen Weg gingen, wurden wir an ganz anderen Stellen angegriffen.

Ein Stück außerhalb der Stadt kamen wir zu zwei Schlittenhundefarmen. Aufgeregte Hunde liefen in den riesigen Zwingern herum und ein paar Frauen kümmerten sich um die Tiere. Zwischen den Farmen war ein größerer Platz mit einem Teich, auf dem eine Eiderentenkolonie siedelte.
Die Enten waren schon fleißig am Brüten, überall flogen die flauschigen Eiderentendaunen herum, die sich die Enten zum Auspolstern der Nester ausgerupft hatten. Die brütenden Enten ließen sich von uns überhaupt nicht stören. Raubmöwen überflogen immer wieder die Kolonie in der Hoffnung einer unaufmerksamen Entenmutter das Küken bzw. Ei stibitzen zu können, aber in der Kolonie hatten sie nicht viel Erfolg.
Wir wanderten weiter bis zum Eisbärenschild, das wir nun von allen Seiten ausgiebig fotografierten. Es stand direkt an einem großen See, einem Trinkwasserreservoir, auf dem noch Eis schwamm. Auf unserem Rückweg staunten wir nicht schlecht, als auf uns ein Auto langsam zugefahren kam. Die Tatsache an sich ist ja nichts besonderes, aber wenn das Auto von 6 Schlittenhunden gezogen wird, bleibt einem schon mal der Mund offen stehen. Die Fahrerin des Wagens musste auch ganz schön grinsen, als sie unsere verblüfften Gesichter sah.

Zurück im Ort machten wir am Imbiss halt, der bis spät in die Nacht (3 Uhr) geöffnet hatte und so auch am Vortag noch offen gewesen wäre. Durch das immerwährende Tageslicht war uns zwar das Zeitgefühl abhanden gekommen, aber unsere Mägen meldeten sich schon seit einiger Zeit. So verschlangen wir heißhungrig eine Pizza, die sehr lecker war, ehe wir spät abends (ca. 23 Uhr) zurück in unsere Herberge wanderten.

Sonntag, 26.06.2011
4. Tag
Um 7.30 Uhr weckte uns wieder die Sonne. Wir duschten und gingen dann nach dem etwas lästigen "Schuhspiel" frühstücken. Heute war Packen angesagt, denn am Nachmittag würde es aufs Schiff gehen. Da wir um 11 Uhr auschecken mussten, blieben Chris und ich auf dem Zimmer beim Gepäck, während Kerstin und Uwe noch etwas wandern gingen. Um 11 Uhr brachte Chris die Schlüssel zur Rezeption und wir machten es uns im Aufenthaltsraum gemütlich. Um 12 Uhr waren die Zwei zurück.
Chris und ich wollten eigentlich in die Stadt gehen, aber irgendwie war ich faul und blieb bei Kerstin zum Ratschen, während Uwe Chris begleitete, der noch einmal zu den Küstenseeschwalben wollte. Unterwegs besorgten uns die Männer ein Taxi, das uns um 15 Uhr zum Bootsanleger brachte. Dort sollten wir zwischen 16-17 Uhr an Bord gehen dürfen. Aber was war das? Weit und breit war kein Schiff zu sehen. Waren wir am richtigen Steg? Da es nur einen größeren Steg gab, musste genau hier der richtige Ort sein, doch das änderte nichts daran, dass dort immer noch kein Schiff vor Anker lag. Zum Glück war das "Schiffsoffice" offen und die Frau darin sagte uns, dass die ‚Antarctic Dream' Verspätung hätte und voraussichtlich erst am Abend einlaufen würde. Wir sollten uns alle um 17 Uhr am Hotel Radison Blue zum Abendessen treffen, dort würden wir mehr erfahren. Na das ging ja schon mal gut los. Beunruhigende Gedanken stürmten durch unsere Köpfe. Was wäre wenn und überhaupt… Doch alles bangen und spekulieren half nichts, jetzt mussten wir erst einmal die Zeit bis zum Nachmittag überbrücken. Wir konnten unser Gepäck vor dem Office lassen und auch einen Teil unserer Fotoausrüstung innen hinter dem Tresen verstauen.
Mit leichtem Gepäck gingen wir noch einmal in Richtung Küstenseeschwalben, die sich wieder voller Inbrunst auf uns stürzten. Weiter wanderten wir bis zur Eiderentenkolonie und entdeckten bei einigen Müttern schon flauschig kleine Entenküken. Der Weg hatte sich noch einmal gelohnt, denn die Kleinen waren absolut goldig. Um ca. 17 Uhr waren wir dann am Radison Blue, wo uns schon zwei Mann der Expeditionscrew erwarteten. Sie erzählten uns, dass das Schiff um ca. 20 Uhr kommen soll und wir bis dahin hier essen würden. Mit uns und einigen älteren Leuten waren auch mächtig viele junge Leute vor Ort. Wir wunderten uns etwas darüber und fragten uns, wie sich so viele junge Leute so eine Reise leisten konnten. Aber vorerst waren andere Sachen wichtiger und darüber konnte man sich auch später noch Gedanken machen. Also rein ins Hotel.
… Oh nein! … Selbst hier mussten wir für das Restaurant die Schuhe ausziehen. Da Uwe und Kerstin wieder mit Ihren warmen Gummistiefeln unterwegs waren, mussten wir mächtig schmunzeln und stellten uns die Rauchschwaden bildlich vor, die von ihren Füßen aufstiegen.
Für ca. 85 Leute war das Restaurant schön eingedeckt. Ein Kellner stellte das Essen vor und so erfuhren wir dass ca. 24 Vegetarier, einer mit Nussallergie, einer mit Eiweißallergie, einer mit Weißmehlallergie, einer sogar mit Knoblauchallergie (was ist das denn???) und viele andere Allergien mit uns reisen würden. Oh je, das konnte ja lustig werden, wenn danach der Speiseplan bestimmt werden würde. Das Radison Blue hatte jedoch für alle das richtige Essen und wir schlemmten mächtig. Das Essen war total lecker und zu jedem Gang gab es einen anderen Wein bis hin zum Dessert. Zwischendurch sahen wir auch erleichtert unser Schiff in den Hafen einlaufen.
Nach dem Dessert schlüpften wir wieder in unsere Schuhe und machten zusammen mit Jan und Silke einen Verdauungsspaziergang zum Schiffsanleger. Die Zwei saßen schon im Flieger hinter uns und würden den Rest der Reise mit uns am Tisch aushalten müssen.
Am Hafen lernten wir unseren Expeditionsleiter Philipp, einen ständig lachenden Österreicher mit viel Charme kennen. Er erzählte uns, dass das Schiff mit dem Wetter zu kämpfen hatte und deshalb mit Verspätung eingetroffen ist. Unser Gepäck war schon an Bord. Wir betrachteten das Schiff, das uns sehr gut gefiel. Mit seinem roten Rumpf ragte es hoch über uns auf. Es war kleiner als die Polar Star (siehe Reisebericht Antarktis 2010), aber ebenso hübsch anzuschauen.
Um ca. 20 Uhr konnten wir an Bord gehen. Unser Zimmer No. 215 war super gelegen mit schnellem Weg zum Bug des Schiffes. Das Zimmer gefiel uns auf Anhieb. Ein Doppelbett in einer geräumigen Kabine mit einem schönen Panoramafenster, einem kleinen Schreibtisch nebst zwei Stühlen und einem kleinen Bad mit Dusche. Am Kleiderschrank waren Haken für die Jacken und im Schrank lagen schon die Schwimmwesten. Ein Paar für den Ernstfall und zwei kleine Westen für die Zodiactouren. Einzig die Tatsache, dass es an Bord keinen Wetroom gab und wir mit den Gummistiefeln auf das Zimmer gehen mussten, störte uns etwas, da der Raum mit einem saugfähigen Teppich ausgelegt war. Während Chris gleich mal das Schiff erkundete, packte ich unsere Sachen aus.
Unser Schiff verließ um 20.45 Uhr bei schönstem Wetter den Hafen von Longyearbyen. Später gab es eine Begrüßung mit Vorstellung des gesamten Personals, eine bunt gemischte Gruppe (38 Personen) unterschiedlicher Nationalitäten. Hier erfuhren wir dann auch dass ein deutscher Professor mit 22 Studenten aus unterschiedlichen Ländern an Bord ist. Ein Glas Sekt und ein paar Käsehäppchen später gingen wir todmüde in unser Zimmer um dann bei einem Alarm mit unserer Schwimmweste bewaffnet in den Essensraum zu stürmen. Hier bekamen wir eine Einweisung für das Anlegen der Schwimmwesten. Dann ging es raus an Deck, wo uns die Rettungskapseln gezeigt wurden. Immer noch schien die Sonne, so dass wir mal wieder spätabends bei schönstem Sonnenschein ins Bett gingen.
Montag, 27.06.2011
5. Tag
Vor dem Wake up call, der über einen Lautsprecher in unseren Zimmern erklang, war Chris schon auf dem Deck und betrachtete die an uns vorbei ziehende Landschaft. Die Sonne schien wie am Vortag, das Meer lag fast spiegelglatt vor uns. Tiefhängende Wolken saßen fest auf den Bergen. Sie gaben jedoch den Blick auf einige Gletscher frei, die an uns vorbeizogen. Ich war noch etwas müde und genoss den Blick aus dem Fenster bis es dann um 8 Uhr zum Frühstück ging.
Wahnsinn, welche Wunder so ein Kaffee bewirken kann. Gleich fühlte ich mich wieder fitter und neuer Lebensgeist schoss durch meine Adern, nun konnte der Tag kommen. Wir waren gespannt und neugierig, was er so bringen würde – vielleicht den ersten Eisbären? Für den Vormittag war eine Zodiac Fahrt mit Anlandung auf Fjortende Julibukta im Krossfjord geplant, einem ca. 30 km langen und 5 km breiten Fjord an der Westküste Spitzbergens.
Mit dem Zodiac fuhren wir an einem Vogelfelsen mit vielen verschiedenen Vögeln, wie unterschiedlichen Lummen Arten, unseren ersten Papageientauchern, Möwen sowie an hellblau schimmernden Gletschern vorbei. Gewaltige Eismassen thronten hoch über uns, wir sahen dunkelblau schimmernde Abbruchkanten und kleine Eisberge, die im Meer schwammen. Besonders interessant fanden wir, dass mitten im Gletscher an einer Stelle braunes Wasser herausdrückte und wie durch einen Schlauch ins Meer gepresst wurde.
An Land wurden wir in zwei Gruppen eingeteilt, die von jeweils zwei bewaffneten Führern begleitet wurden. Überall war es möglich auf Eisbären zu treffen, darum musste unser Expeditionsteam immer geladene Waffen und Schreckschusspistolen dabei haben. Die eine Gruppe erkundete ein wenig die arktische Tundra und hielt nach Tieren Ausschau, während die andere Gruppe, der wir uns anschlossen, über eine Moräne den 14. Juli Gletscher hinauf wanderte.
Durch die Zodiacfahrt, auf der man schnell auskühlt, waren wir alle warm angezogen und schon bald schwitzten wir aus allen Poren. Der Aufstieg war relativ steil und anstrengend, aber die Aussicht war fantastisch, dass wir das Schwitzen und die Strapazen schnell wieder vergessen hatten. Unterwegs sahen wir unsere ersten Rentiere (Rangifer tarandus), die aber keine Lust auf eine schweißtriefende, keuchende Menschenmasse hatten und über die Berghänge davon rannten. Hellblaue Eismassen mit vielen Gletscherspalten lagen zu unseren Füßen aus denen schwarz weiß gestreifte Berge (dank der Schneereste) empor ragten, die dann wieder ohne Gipfel in den Wolkenmassen endeten. Wir sogen die Landschaft in uns auf und viel zu schnell verging die Zeit bis wir zum Schiff zurück mussten.
Nach dem Mittagessen hatten wir um 15 Uhr die zweite Anlandung für diesen Tag. Wir besuchten Blomstrandhalvøya im Norden des Kongsfjordes. Auf dieser Insel existieren noch Reste von Wohnhäusern und rostenden Maschinen - Zeugnis einer ehemaligen Marmorgrube, die der englische Geschäftsherr Ernest Mansfield erbauen ließ. Der Marmor hatte sich jedoch als unbrauchbar erwiesen, denn er zerbröselte schon beim Entladen des Schiffes. So wurde die Siedlung schnell zur Geisterstadt und einige der Wohnhäuser "siedelte" man um.
Gleich nach unserer Anlandung konnten wir zwischen zwei Hütten vier Rentiere beobachten, die das frische Grün nahe unserer Anlandungsstelle fraßen. Diesmal kamen wir auch etwas näher an diese skurrilen Tiere heran. Sie hatten noch das weiße Winterfell, aber an vielen Stellen leuchtete schon das dunkle Sommerfell durch. Ein mächtiger Bulle mit einem schönen Geweih und drei Kühe beäugten uns kritisch. Wie verabredet preschten sie auf einmal ein Stück auf uns zu. Der Hirsch verdrehte leicht die Augen und sprintete dann wieder davon, die Weibchen ihm nach. Was für ein Bild. Das Weiße der Augen blitzte uns entgegen, ein panischer Galopp einmal im Kreis um uns herum, bis sich die Tiere wieder beruhigt hatten und fast an gleicher Stelle weiter grasten. Gleich neben den Rentieren konnten wir Falkenraubmöwen (Stercorarius longicaudus) beobachten. Die waren vielleicht frech. Sie beobachteten die Rentiere und stürzten sich dann auf die eh schon irren Tiere und rupften ihnen am Rücken Haare aus dem Fell. Das sah vielleicht irrwitzig aus. Die Rentiere wussten gar nicht wie ihnen geschah und rannten wieder einmal panisch davon. Ein paar Bocksprünge waren natürlich auch dabei. Einer der Skuas setzte sich auf den Boden und war sofort von Massen fotografierwütiger Touristen umringt. Als ob der Vogel Geld dafür bekäme, poste er vor den Fotografen und beäugt die vor ihm liegenden Gestalten. Dabei hing ihm noch etwas Rentierfell aus dem Schnabel, das ein wenig an Schnurrhaare erinnerte.
Wir wurden in drei Gruppen aufgeteilt, eine schnelle für die Laufwütigen, eine mittlere für die Genießer und eine langsame, für die etwas fußschwächeren und älteren Leute. Wir schlossen uns der mittleren Gruppe an, da wir gerne etwas wandern, aber auch Zeit zum Fotografieren haben wollten.
Wir wanderten nach links vorbei an einem alten rostigen Wagen und ein paar verfallenen Hütten. Die arktische Tundra blühte gerade. Überall sprossen kleine Blümchen in rosa, lila, gelben und weißen Tönen inmitten von Moosen und Flechten. Schroffe Berge türmen sich im Hintergrund auf. Wir umrundeten einen schönen Gletschersee und entdeckten ein paar arktische Vögel – etwas weiter weg. Schneereste kämpften gegen die Sonne, das Gelände war steinig und karg. Die Tundra gefiel uns richtig gut. Zurück am Ausgangspunkt schauten wir uns noch ein paar Reste der Zivilisation an. Ein alter verrosteter Herd mit Kaffeekannen drauf mitten im Nichts, ein paar Holzreste und viele verschiedene Scherben fesselten unsere Aufmerksamkeit. Im Gespräch mit Jordi, einem unserer Guides, erfuhren wir, dass unser Eisbrecher die ‚Polar Star', der uns so gut in die Antarktis gebracht hatte, nicht mehr fährt. In der Antarktis hatte ein Felsen ein riesiges Loch in den Rumpf des Schiffes gerissen, die Passagiere mussten evakuiert werden. Trotzdem das Schiff aus eigener Kraft die Strecke bis zum Trockendeck in Buenos Aires zurück legte, waren die Kosten für eine Reparatur zu hoch und konnten nicht gedeckt werden. Die Firma meldete Insolvenz an. Das stimmte uns sehr traurig, denn die Polar Star war für uns das perfekte Schiff, um den Norden oder Süden zu erkunden.
Um ca. 19 Uhr waren wir zurück an Bord, lauschten Philipp in der fensterlosen Lekture Hall beim Recap und Briefing und verbrachten einen lustigen Abend mit Jan und Silke an unserem 6 Mann Tisch. Der Anker war gelichtet und wir fuhren unserem morgigen Tag unaufhaltbar entgegen. Da die Seeluft müde macht, waren wir schon bald in unseren Betten verschwunden.
Dienstag, 28.06.2011
6. Tag
Um 7 Uhr erklang Philipps Weckruf durch unser Zimmer. Wir ankerten im Woodfjord, der sich in nord-südlicher Richtung ungefähr 65 km ins Land hinein zieht. Das Wetter war leider umgeschlagen und dicke Wolken verdeckten die Sonne. Beim Frühstück nahm unser Kapitän die Fahrt in den Fjord hinein wieder auf. Schneebedeckte Berge, deren Gipfel tief in den Wolken lagen, zogen an uns vorbei. Wir fuhren an der Packeisgrenze entlang. Kleinere Eisschollen schlugen gegen den Bootsrumpf.
Gerade als Chris sich einen dampfenden Kaffee eingeschenkt hatte brüllte Phil, einer von den Passagieren: "Dort ist ein Eisbär!!!" Wir ließen alles stehen und liegen und stürmten an Deck. Weit weg aber unverkennbar lief unser erster Eisbär (Ursus maritimus) auf dem Packeis entlang. Dicht an seinem Weg entdeckten wir frisches Blut auf dem Eis, das sich jedoch als Algen mit dem schönen lateinischen Namen Chlamydomonas nivalis entpuppte. Die Färbung wird durch sekundäre Carotinoide, vor allem durch Astaxanthin hervorgerufen. Damit schützen sich die Algen besonders in den Polargebieten und extremer Höhe vor starker Licht- und UV-Strahlung Leider hatte der Eisbär so gar keine Lust näher zu uns zu kommen und so genossen wir ihn aus der Ferne. Chris machte natürlich ein paar Bilder, während ich mich mit dem Fernglas zufrieden gab. Er witterte uns und entfernte sich langsam immer weiter vom Schiff. Irgendwann gab unser Kapitän auf und wir setzten die Fahrt in den Fjord hinein fort.
Zurück am Frühstückstisch war Chris Kaffee natürlich kalt und ungenießbar geworden. Bei einem frischen dampfenden Kaffee gab es nur ein Thema, unseren ersten Eisbären. Wir waren begeistert und überglücklich einen der ca. 3000 Eisbären rund um Svalbad gesehen zu haben und der Tag konnte fast nicht noch besser werden – oder doch?
Nach dem Frühstück wurden die Zodiacs ins Wasser gelassen und wir fuhren mit Jörn als Zodiacdriver entlang des Eises und der Inseln von Andøyane im Liefderfjord. Wir sahen ein paar arktische Vögel, bei denen unsere Birdies an Bord strahlende Augen bekamen. Unser Highlight war jedoch ein Zwerg- oder auch Minkwal (Balaenoptera acutorostrata), den Jörn entdeckte. Wie wild kamen alle Zodiacs angebraust, aber Jörn blieb einfach stehen. Mit wissendem Gesichtsausdruck sagte er uns, dass wir hier warten, denn die anderen Zodiacs schneiden dem Wal den Weg ab und er wird ganz sicher wieder zu uns zurückkommen. Gebannt warteten wir. Plötzlich kräuselte sich die Wasseroberfläche und seine  Rückenflosse tauchte auf. Jörn hatte absolut Recht. Der Zwergwal schwamm nun vor uns und wir folgten ihm ein Stück. Es war toll! Aber auch die Landschaft mit hellblauen Gletscherzungen und den steilen schneebedeckten Bergen beeindruckte uns sehr. Es ist schon ein besonderes Gefühl, so nah an der Wasseroberfläche zu schwimmen und so ein wenig die Gewaltigkeit der Landschaft zu spüren. Weit weg lag eine Robbe auf dem Eis, Vögel flogen an uns vorbei und eine unglaubliche Stille begleitete uns.

Um ca. 12 Uhr waren wir zurück an Bord, wo es Mittagessen gab.
Unser Schiff fuhr tiefer in den Fjord hinein immer an der Eiskante entlang, wo unser Kapitän um ca. 14.30 Uhr einen zweiten Eisbären entdeckte. Wir stürmten wieder an Bord, bewaffnet mit unseren Kameras und dem Fernglas. Doch leider war der Eisbär noch weiter weg, als der erste Bär vom Morgen. Nur mit viel Mühe konnte ich ihn geradeso durch das Fernglas entdecken. Es war trotzdem aufregend. Wir wunderten uns zwar etwas, warum unser Kapitän nicht näher zu dem Eisbären hinfuhr, aber er wusste ja hoffentlich was er tat. Vielleicht war er einfach zu scheu, oder wir waren ungünstig im Wind – was auch immer… Unser Kapitän fuhr langsam am Bären vorbei. Wir wärmten uns etwas auf, als auf einmal wieder alle von einem Bären redeten. Schnell in die Jacken gesprungen, die Kameras geschnappt und schon waren wir wieder an Bord. Unser Kapitän war einfach genial. Er hatte das Boot gedreht und war so noch näher an den Eisbären herangekommen. Dieser entdeckt uns nun und kam neugierig schnüffelnd näher. Wow, jetzt konnten wir ihn schon richtig erkennen. Die Kameras glühten vor lauter Auslösungen. Wir waren total aufgeregt und hatten alle ein überglückliches Grinsen im Gesicht. Niemand sagte etwas, um den Eisbären nicht zu vertreiben. Stille lag über dem Boot, die nur durch unzählige Auslösungen diverser Kameras durchbrochen wurde. Das störte den Bären jedoch gar nicht. Ganz im Gegenteil, er kam noch näher. Je dünner das Eis wurde, desto vorsichtiger wurde der Bär. Er testete die Eisdicke mit der Pfote und bewegte sich dann erst vorwärts. Ein paar Mal schwamm er sogar ein Stück auf uns zu, kletterte geschickt wieder aus dem Wasser, schüttelte sich und versuchte noch näher auf uns zuzukommen. Es war eine Show. Leider war irgendwann das Eis zu Ende und der Bär stand vor dem offenen Wasser, in dem er sich schön spiegelte. Wieder schaute er uns an, wog ab und entschied sich zur Umkehr. Jetzt konnten wir wieder normal atmen, denn vor lauter Anspannung und Freude haben wir sicher jeden zweiten Atemzug ausgelassen.
Eine Robbe lag auf dem Eis und wir hielten erneut an. Kerstin und ich gingen zur Treppe, von der aus wir in die Zodiacs gelangen, um einen tieferen Standpunkt zu haben. Wir machten ein paar Bilder und überlegten gerade, ob wir ein Stativ holen sollen. Doch ups, wo war die Robbe hin? Heimlich still und leise war sie ins Wasser abgetaucht.
Ein sehr ereignisreicher Tag ging seinem Ende entgegen. Doch leider wurde er nicht durch ein leckeres Abendessen gekrönt. Das war nämlich diesmal der Supergau. Eine absolut zerkochte ungenießbare Masse starrte uns auf dem Teller entgegen. Wir starrten zurück und entschieden uns diesmal für Chips von der Bar. Leider war das Essen auf der gesamten Reise grausam, aber die Erlebnisse waren wunderschön und ließen uns so manchen unverdaubaren Brocken schlucken.
Um 20.45 Uhr gingen wir alle an Deck, denn die Überquerung des 80. Breitengrades stand unmittelbar bevor. Mit Wodka haben wir darauf angestoßen.
Später setzten wir uns wieder in den Essensraum und leerten noch eine Flasche Wein auf diesen ereignisreichen Tag. Es war gerade so richtig lustig, als auf einmal Uwe halb im Sessel aufsprang, Kerstin dabei fast durch das Fenster schupste und laut: „Walross“ brüllte. Wir schauten alle etwas verblüfft Kerstin an, die leicht gequetscht an der Fensterscheibe hing und mit großen Augen wiederum Uwe anschaute. Doch der deutete an ihr vorbei. Stimmt, draußen tauchte gerade ein Walross aus dem Wasser auf und betrachtete das Schiff. Plötzlich klebten alle Passagiere an unserer Panoramascheibe.

Mittwoch, der 29.06.2011
7. Tag
Über Nacht segelte unser Schiff in die  nördliche Hinlopenstretet, eine Meerenge zwischen Spitzbergen und Nordostland. Eine Passage, die durch hartnäckiges Packeis nicht immer leicht zu befahren ist.
Unser Ziel war die größte Seevogelkolonie, auf der Westseite dieser Meerenge - Alkefjellet (= Lummenberg) südlich des Lomfjords. Auf den über 100 m hohen senkrechten Basaltfelsen brüten mehrere hunderttausend Dickschnabellummen (Uria lomvia), Dreizehenmöwen (Rissa tridactyla) und Eismöwen (Larus hyperboreus).
Das Wetter war auch an diesem Morgen wieder neblig und zugezogen. Wir kleideten uns sehr warm für die Zodiactour entlang des Vogelfelsens. Unser Zodiac wurde von Valeska gesteuert. Wir saßen zu 6. auf jeder Seite des Bootes, denn am Vortag war der Motor eines Bootes kaputt gegangen. Das war ganz schön eng und man konnte nicht immer optimal fotografieren, aber wir saßen vorne und hatten eine gute Sicht auf den Felsen und die Unmengen an Vögeln. Tausende flogen über unseren Köpfen, es war eine unbeschreibliche Geräuschkulisse und erinnerte einen ein wenig an Hitchcocks Film „Die Vögel“. Natürlich blieb es bei so vielen über uns kreisenden Vögeln nicht ohne Folgen. So hatte ich eine ‚Erinnerung‘ auf der Hand und Chris auf der Kamera. Bei vielen anderen sahen wir Einschläge auf den Jacken oder Mützen. Wir betrachteten die Felsen aus der Ferne und aus der Nähe. Zum Teil hätten wir die Lummen fast streicheln können, so nah kamen wir an sie heran. Einige brüteten schon, andere waren noch mit der Paarung beschäftigt. Weiter oben in den Felsen brüteten einige Paare der Dreizehenmöwen und beäugten uns kritisch, als wir an ihnen vorbeifuhren.  Es war wirklich ein Schauspiel der besonderen Art.
Als wir die hohen Felsen passiert hatten, fuhren wir an ein paar Gletschern und Eisbergen vorbei. Einer der Gletscher kalbte sogar und ein großer Eisbrocken fiel laut krachend ins Meer. Wir sahen es nur noch platschen.

Nach dem Mittagessen steuerten wir Sorgfjorden – Eolusneset an. Hier hatte unser Expeditionsleiter Philipp in der Nacht Walrosse entdeckt und die wollten wir am Nachmittag besuchen. Schon am Vortag hatte uns Philipp Verhaltensregeln gesagt, wie wir uns den Walrossen nähern sollten. Die Gruppe würde eine Linie entlang des Strandes bilden und so langsam und geschlossen auf die Tiere zu gehen. Walrosse können nicht sehr gut sehen und würden uns nur als Horizont erkennen, der an diesem Tag etwas bunter sein würde.
Wir saßen im 2. Boot, das an Land ging. Es wurden zwei Gruppen gebildet. Die erste Gruppe musste eine Stunde spazieren gehen, während sich die andere den Walrossen zuerst näherte. Die ersten vier Zodiaks waren in der Wandergruppe. Mist, damit hatten wir ja gar nicht gerechnet. Nicht gerade erfreut machten wir uns auf die Wanderung. Wir hatten etwas Bedenken, dass die erste Gruppe die Kolosse vertreibt und wir sie nicht mehr zu sehen bekommen, aber Valeska beruhigte uns. Im Nachhinein hatten wir sogar Glück.
Wir wanderten am Strand entlang, die Bucht war wirklich schön anzuschauen und sogar etwas Sonne beschien die umliegenden schneebedeckten Berge.
Überall am Strand lagen Baumstämme herum. Jordi erklärte uns, dass das Holz aus Sibirien stammt, das mit dem Eis hierhergetrieben wurde.
Nach einer Stunde durften wir dann einen künstlichen Horizont bilden und zu den Walrossen gehen. Es war schon urkomisch, als sich eine breite bunte Masse langsam aber stetig den Tieren näherte – weit über den Strand verteilt. Kein Wort wurde geredet, nur der Sand knirschte unter unseren Stiefeln. Die Walrosse gingen ihrer Lieblingsbeschäftigung nach. Sie schliefen, kreuz und quer, über und untereinander. Zum Glück ließen sie sich von uns gar nicht stören und so schaute zwar mal der eine oder andere auf, kratzte sich ein wenig mit der Flosse und fiel dann wieder um. Manchmal piekste einer den anderen mit seinem Stoßzahn, dann wurde etwas gegrunzt um sich sofort wieder bequem hinzulegen und weiter zu schlafen. Wir sahen nur die Schnurrhaare vibrieren.
Etwas entfernt sahen wir, dass das Wasser sich kräuselte. Jan kam vorbei und flüsterte uns zu, dass weitere Walrosse sich dem Land nähern und vielleicht rauskommen würden. Wir schauten intensiv auf das Wasser und wirklich ein riesiger Koloss mit einer dicken fast schon pockennarbigen Haut näherte sich dem Ufer. Gleich daneben schwamm ein kleineres Walross.
Viel zu schnell verging die Zeit, als Valeska flüsterte: „Noch 5 Minuten.“ Wir konnten uns fast nicht losreißen, denn wer weiß, wann wir mal wieder diese friedlichen Riesen in freier Natur zu sehen bekommen würden. Aber irgendwann mussten wir gehen. Leider kamen die mittlerweile drei Walrosse nicht mehr aus dem Wasser, aber auch so war es eine aufregende Anlandung und wir waren zufrieden und glücklich mit diesem tollen Nachmittag.
An diesem Abend erwartete uns eine Überraschung, denn es gab ein leckeres BBQ. Auf dem Deck wurde gegrillt und man konnte sich so richtig satt essen mit Steaks, Shrimpspießen und vielem mehr. Auch die Getränke waren frei. Unsere Bardame Beverly hatte zusammen mit der schon leicht beschwipst wirkenden Köchin einen großen Topf Glühwein gemacht. Er schmeckte hervorragend. Chris organisierte später noch eine Flasche Wein für uns und so wurde es ein sehr lustiger feucht fröhlicher Abend.
Donnerstag, 30.06.2011
08. Tag

Auf diesen Tag hatten wir uns von Anfang der Reise an so richtig gefreut, denn heute würden wir durch mächtige Eisschollen bis zur Packeisgrenze fahren.
Unser Schiff ankerte an der Packeisgrenze weit im Norden. Um ca. 8 Uhr begann unser Kapitän mit seiner Fahrt durch die Eisschollen. Es krachte und knackte. Wir sahen, wie dicke Eisschollen zerbrachen, als unser Schiff sich seinen Weg hindurch bahnte. Es war leider wieder sehr neblig, aber irgendwie passte dieses Wetter zu dem Nichts aus Eis und Meer.

Da es an diesem Tag einen Brunch geben sollte, waren am Morgen nur ein paar Kleinigkeiten zum Essen da. Chris hatte gerade einen dampfenden Kaffee in der Hand und ich wollte mir einen einschenken, als die Durchsage: Eisbär!!! kam. Wir ließen wieder alles stehen und liegen und stürmten an Deck. Der Bursche war weit weg und nicht wirklich an uns interessiert. Er wanderte durch die Eislandschaft und ließ sich durch uns überhaupt nicht stören.
Um ca. 10 Uhr gab es Brunch und wir hatten einen Bärenhunger. Gerade als wir mit gefüllten Tellern und unserem lang ersehnten Kaffee am Tisch saßen, knisterte es im Lautsprecher: „Eisbär!“ „Aber er ist noch weit weg und wir nähern uns langsam.“ Nach einem kurzen Blick hinaus, setzten wir uns wieder hin und frühstückten schnell, um sofort danach hinaus zu eilen. Der Bär war immer noch weit entfernt, aber er kam auf unser Schiff zu. Wieder war es mucksmäuschenstill auf dem Deck und man hörte nur das leise schon fast bedächtige Atmen der Menschen sowie das Auslösen der Kameras.
Der Bär kam immer näher, witterte, schaute sich um, kletterte auch mal auf einen Aussichtsschneehügel, setzte sich hin. Er umrundet den Bug des Schiffes und schaute es sich von allen Seiten an. Als neben Chris einem Mann das Stativ umfiel und laut scheppernd auf den Metallboden krachte, zuckte der Bär erschrocken zusammen und lief ein Stück davon. Als jedoch nichts weiter passierte, drehte er sich kurz darauf wieder um und ging bedächtig davon.

War das ein tolles Erlebnis, selbst unsere Expeditionscrew war schwer begeistert so nah kam der Bär. Wir konnten jedes Detail sogar ohne Fernglas erkennen und einem der letzten großen Jäger der Arktis tief in die Augen schauen. Etwas weiter entfernt sahen wir einen zweiten Bären, aber der hatte keine Lust auf Gesellschaft. Ein weiterer Eisbär lauerte einer Robbe auf, aber leider auch viel zu weit weg.
Lummen schwammen auf dem Wasser, oder saßen auf Eisschollen. Besonders witzig war es, wenn das Schiff ihnen zu nah kam und sie wie Wasserläufer über das Wasser fegten. Dabei benutzten sie die Flügel als Ruder und ihre Füße als Steuer. Es war urkomisch, wenn auf einmal zahlreiche Vögel Gas gaben und das Wasser nur so spritzte. Wir machten uns natürlich einen Spaß daraus und platzierten Wetten auf einzelne Vögel.

Wir verbrachten fast den ganzen Vormittag an Deck und genossen den Tag im Eis in vollen Zügen. Doch irgendwann waren wir so durchgefroren, dass wir uns unbedingt aufwärmen mussten. Gerade als wir uns einen heißen Kaffee eingeschenkt hatten kam wieder eine Durchsage: „Eisbär!“ Doch diesmal war es nicht nur ein einsamer Jäger, sondern ein Jäger mit Beute.
Unser Kapitän näherte sich wieder sehr behutsam. Für unsere ‚Eisbärengier‘ fast zu behutsam, aber dafür war er wie immer absolut erfolgreich. Volle zwei Stunden fuhren wir sozusagen Schritt für Schritt auf den Bären zu, der anfangs seine Beute noch etwas weiter weg aufs Eis zerrte. Eine Blutspur begann links vom Schiff, dazwischen verlief ein Kanal, sie endete am Bären, der gierig fraß.
Während wir ihn beobachteten kam Jan vorbei und flüsterte uns zu, dass sich von hinten ein zweiter Bär näherte. Wie??? Wir Mädels schnappten unsere Kameras und gingen zum Heck des Schiffes und wirklich ein zweiter sichtbar hungriger Eisbär hatte die Blutspur entdeckt und folgte ihr witternd. Geräuschlos ließ er sich ins Wasser gleiten und schwamm auf das Schiff zu, an ihm vorbei um am anderen Ufer zielorientiert genau auf den Bären mit seiner Robbe zuzugehen. Wir hielten den Atem an, tausend Gedanken gingen uns durch den Kopf, während sich der hungrige Bär dem anderen näherte. Wie würde er reagieren? Würde er kämpfen, oder seine Beute aufgeben? Würde der hungrige Bär doch noch einen Rückzieher machen, da der andere Bär viel größer und kräftiger war?
Der hungrige Bär ging in einen leichten Trab über, während er sich näherte. Der dicke Bär guckte auf und machte einen Satz auf die Seite. Er überließ dem fremden Bären seine Robbe und ging erst einmal in Sicherheit. Der Konkurrent fraß gierig und schnell. Bald hatte er genauso einen roten Kopf, wie der erste Bär. Das war je unglaublich! Ein Spektakel vom Allerfeinsten!
Der erste Bär umrundete nun den zweiten und ließ sich gleich zweimal vertreiben. Dann wurde es ihm zu bunt und er ging schnurstracks auf den Fremden und die Robbenreste zu. Wieder hielten wir den Atem an und wieder passierte nichts. Die Bären hatten sich stumm geeinigt und fraßen nun gemeinsam an dem Kadaver, bis fast nichts mehr übrig war. Irgendwann reichte es dem „Mitesser“ und er ging bedächtig und gesättigt davon. Der Jäger blieb mit den Resten alleine und fraß weiter.
An diesem Tag hatten wir 6 Bären gesehen, das mussten wir erst einmal verarbeiten. Der eine, der so nah ans Boot kam und dann noch die zwei friedlich miteinander fressenden Bären. Das waren die absoluten Highlights für uns.
Volle drei Stunden konnten wir die Bären beobachten und Phillip sagte am Abend, dass nach drei Stunden immer noch ca. 70 Leute an Bord standen und die Bären beobachtet hatten.

Unser Schiff entfernte sich weiter und weiter vom Packeis. Durch unzählige Eisschollen ging es zurück, langsam kam wieder Land in Sicht. Wir verbrachten die meiste Zeit an Deck und genossen das „eisige Nichts“.
An diesem Abend gingen wir mehr als zufrieden in unsere Betten. Schade, dass wir nicht noch einen Tag im Eis verbringen würden.

Freitag, der 01.07.2011
09. Tag

Als wir an diesem Morgen erwachten, ankerten wir in der Bucht einer kleinen Inseln im Nordwesten von Spitzbergen. Sie trägt den Namen Fuglesangen – gleich Vogelgesang. Hier leben in den Felsen tausende Krabbentaucher, deren Geschrei weit zu hören ist.
Die Anlandung war etwas schwieriger, denn wir mussten über schlüpfrige große Steine bis ans Ufer klettern.
Die Landschaft erinnerte mich irgendwie an Schottland. Dazu trugen sicher auch der Nebel und die tief hängenden Wolken bei. Die Küste war geprägt durch große Gesteinsblöcke, die mit Moosen und Flechten bewachsen waren. Im Hintergrund reichten die Felsblöcke den Hang hinauf bis zu den steilen Felswänden. Zwischen den Felsen erinnerten noch Schneereste an den Winter. Inmitten der Felsen sah man immer wieder hellere Bereiche. Dort brüteten die kleinen Krabbentaucher. Natürlich flogen sie alle auf und schimpften erst einmal über die Störung. Wir verteilten uns in den Felsen und hofften darauf, dass sie in der Nähe landen – natürlich alles außerhalb ihrer bevorzugten Plätze.
Leider waren wir mal wieder zu übereifrig und kletterten viel zu hoch hinaus. So sahen wir sie fliegen und hörten sie singen, aber es landete kein Vogel innerhalb unseres Sichtradius.
Jan und Silke, die beide etwas unterhalb von uns blieben, konnten die kleinen Vögel perfekt beobachten und waren richtig begeistert. Leider war auch ein Standortwechsel nicht mehr möglich, denn dann hätten wir die kleinen Vögel wieder aufgescheucht. So warteten wir und genossen es, ihnen bei ihren Flugübungen über dem Meer und über uns zuzuschauen.
Zurück an Bord sahen wir, wie ein Zodiac das Schiff verließ und mit hoher Geschwindigkeit in der zerklüfteten Bucht unseren Augen entschwand. Da wir auch ein Boot von der Küstenwache gesehen hatten, dachten wir uns nichts dabei und gingen erst einmal Mittagessen.

Am Nachmittag sollte es eine Anlandung bei einer alten Walfangstation geben. Freudig hellten sich unsere Mienen auf, als Philipp meinte, dass wir diesen Programmpunkt streichen. Wir waren in der Bucht Sallyhammna, in der vor drei Jahren ein Wal gestrandet war und wo zwei Jahre lang immer wieder Eisbären nach den Walresten getaucht sind. Phillip erzählte uns, dass sie mittags Ausschau nach Eisbären gehalten haben und fragte nun, ob wir die Eisbären sehen wollen, auch wenn sie „nur“ schlafen. Natürlich wollten wir!!!
Schnell schlüpften wir in unsere Sachen – dick eingemummelt für einen langen Nachmittag im Zodiac, standen wir sofort an der Gangway.
Valeska steuerte unser Boot, das mit 9 Personen reichlich Platz zum Beobachten und Fotografieren bot.
Wir fuhren Sallyhammna mit 8 Booten an. Ein Eisbär lag ganz vorne am Ufer. Ein großes stattliches Männchen mit einem fast schon gelben Fell. Er schaute kurz auf, als wir uns näherten, um gleich darauf weiter zu schlafen. Etwas den Hang hinauf mitten im Schnee lag eine fast weiße Eisbärin, die man auf den ersten Blick nicht gleich sah. Auch sie schaute kurz auf und schlief dann weiter.
Wir posierten uns im Boot, damit jeder optimal schauen und fotografieren konnte. Uwe und Chris, lagen vorne im Zodiac, dann folgten Kerstin und ich etwas gekrümmt schräg hinter den beiden, dann Silke, zwei unserer netten Birdies und Jan ganz hinten. Er hatte sichtlich seinen Spaß mit der Videokamera und rettete sogar unsere Fototaschen, als das Boot vom langen Stehen volllief und wir alle vor lauter Eisbären nichts mehr um uns herum wahrnahmen.
Mit den Zodiacs hatten wir natürlich eine ganz andere Perspektive von den Bären. Wir kamen viel näher zu Ihnen hin. Das große Männchen wurde unruhig und stand langsam auf. Er ging zu irgendwelchen undefinierbaren Walresten und fraß. Das reichte ihm jedoch nicht und so ging er am schneebedeckten Ufer entlang auf der Suche nach einem geeigneten Platz, um ins Meer zu gehen. Etwas tollpatschig ließ er sich ins Wasser gleiten, dabei schaute er uns genau an. Philipp gab die Order die Boote aus seiner Reichweite zu bringen, denn Eisbären sind ja hervorragende Schwimmer. Aber der Bär hatte keinerlei Interesse an uns. Er begab sich genau über den Wal und fing an zu tauchen. Wenn er wieder auftauchte, schüttelte er sich erst einmal, dann wurde ein Fetzen Fett verspeist oder an Land getragen und dort verzehrt. Nach mehreren Tauchgängen hatte der Bär genug und lief den Hang hinauf genau auf die Bärin zu. Die sprang schnell auf und machte einen großen Bogen um den Bären, der jedoch von dannen zog und schon bald unseren Augen entschwunden war.

Dafür kam nun die hübsche Bärin näher zum Ufer. Auch sie fraß an den Resten an Land, legte sich dann wieder hin und schaute einmal dermaßen süß mit dem nach hinten überstreckten Kopf zu uns, dass wir alle verzückt loslachten. Das war ja eine Komikerin. Auch sie suchte irgendwann den Weg ins Meer. Mal vor und dann wieder rückwärts den Schneehang hinauf – typisch Mädchen halt. Dann endlich war sie im Wasser. Doch sie war einfach zu klein um ohne Probleme tauchen zu können. So machte sie einen Unterwasserkopfstand und wackelte heftig mit den Hinterfüßen, damit sie weit genug hinunter zu den Walresten kam. Das war vielleicht eine Show. Auch sie tauchte mehrmals, dann ging sie wieder an Land.
Zwei Stunden bei den Bären waren extrem schnell verrannt und Philipp gab das Zeichen zum Aufbruch.
Leider mussten wir nun zurück, dabei wälzte sich die Bärin so niedlich im Schnee, aber wenigstens konnten wir es sehen, denn wir waren das letzte Boot, das die Eisbärenbucht verließ.

Zurück an Bord mussten wir uns erst einmal um unsere durchweichten Fotorucksäcke kümmern und stellten sie an die Heizung zum Trocknen. Zum Glück lag keine Optik darin, denn wir hatten ja alles zum Fotografieren in den Händen. Daneben gesellten sich auf der Heizung Chris Socken und Hosen, denn beim Knien lief ihm natürlich unbemerkt das Wasser in die Stiefel. Die sich auch noch um einen Platz an der Heizung drängten.  Es sah lustig aus in unserer Kabine und erinnerte ein wenig an ein Waschhaus.
Nach dem Abendbrot schauten wir uns noch im fensterlosen Raum einen Vortrag von Beverly unserer Bardame an. Sie arbeitete im Winter in Churchill in der Polar Bear Lodge und berichtete uns über das Leben dort und natürlich über die Eisbären. Das war hochinteressant. Doch nicht für alle, denn die Luft war dort unten so schlecht, dass jeder mit der Müdigkeit zu kämpfen hatte und einer sogar lauthals losschnarchte.
Den restlichen Abend verbrachten wir wieder im Essensraum und genossen den Blick aus den Panoramafenstern, während wir an Gletschern und schneebedeckten Bergen vorbeifuhren. Die Wolken hingen tief und zum Teil schwebte Nebel über den Gletschern, ein unbeschreibliches Bild bot sich unseren Augen, so dass wir immer wieder auf Deck mussten, um ein paar Erinnerungsbilder dieser eindrucksvollen Szenerie zu machen.

Samstag, 02.07.2011 - Sonntag, 03.07.2011
10. & 11.Tag

Der Nebel war an diesem Morgen höher als sonst und es kam sogar ein wenig die Sonne durch die Wolken. Wir fuhren weiter an schneebedeckten Bergen entlang. Es war wärmer, als in den letzten Tagen, „so viel weiter südlich“ lag auch merklich weniger Schnee.
Nach dem Frühstück landeten wir am Strand von Sankt Jonsfjord an. Dieser Fjord liegt im Westen von Svalbad und ist ca. 20 km lang. Am Ufer steht eine kleine Trapperhütte, die während der Wintermonate den Trappern Schutz vor Kälte bietet. Darin ist alles, was man zum Überleben braucht – auf engstem Raum, sogar ein Doppelstockbett.
Hier warteten wir bis alle Passagiere angelandet waren und vertrieben uns die Zeit mit dem Fotografieren der Hütte und diverser arktischer Blümchen, die vom Morgentau noch ganz feucht waren.

Wir wurden wieder in drei Gruppen eingeteilt. Natürlich entschieden wir uns wieder für die mittlere Gruppe, denn so hätten wir genug Zeit zum Fotografieren und Wandern. Valeska führte unsere Gruppe an. Es ging einen kleinen Hang hinauf bis auf die andere Seite der Bucht, wo wir eine tolle Aussicht auf die Gletscher und im Meer schwimmenden Eisberge hatten. Rentiere begleiteten uns wieder. Die waren vielleicht neugierig und kamen sehr nah, um dann natürlich wieder die Augen zu verdrehen und panisch davon zu stürzen. Doch sie kamen immer wieder und beäugten uns weiter.
Bei dem schönen Aussichtspunkt setzten wir uns nieder und Valeska bat uns um 5 Minuten absolute Ruhe – ohne Kamerageräusche und reden. Das war vielleicht schön. Kein Mucks war zu hören und jeder nahm auf seine Weise die einzigartige arktische Natur tief in sich auf. Wasser plätscherte und Vögel zwitscherten. Sogar die Rentiere kamen wieder und diesmal noch näher. Eine Frau, die am Rand der Gruppe saß wurde fast beschnüffelt, so nah trat das Rentier an sie heran. Das war wirklich toll.
Andächtig genossen wir die Stille und die Tiere, viel länger als fünf Minuten, bis auf einmal Valeskas Walkie-Talkie knisterte. Der Doktor wurde an Bord verlangt. Das brachte leider ein abruptes Ende unserer gemütlichen Besinnungsrunde, da sich der Doktor in unserer Gruppe befand.
Schnellen Schrittes gingen wir zurück zum Strand. Dort warteten schon Crewmitglieder mit stapelweisen Handtüchern auf uns. An diesem Morgen war nämlich noch Eisbaden angesagt. Chris wollte ja schon in der Antarktis baden gehen, aber damals war er einfach zu erkältet. Doch an diesem Morgen hinderte ihn nichts daran, seine Hüllen fallen zu lassen, Jan zu überreden mitzukommen und gemeinsam mit ihm in die eisigen Fluten zu springen. Natürlich machte er sich noch einen Spaß mit einer Wasserpflanze und sprang sogar noch ein zweites Mal ins Eiswasser. Ich begnügte mich damit, zuzuschauen und ein paar Bilder zu machen.
Zurück an Bord sprang Chris gleich in die Sauna. Ich ging an Deck und fotografierte die Eisberge, die in der Bucht schwammen. Nach der Badeaktion war leider auch die Sonne wieder verschwunden.

Wir verließen die Bucht und fuhren in den Isfjord und besuchten dort das Vogelschutzgebiet Alkhornet. Der Name bezieht sich auf die hornartige Form des gleichnamigen Berges und dessen Bewohner, die Alkenvögel (Alcidae).
Dazu landeten wir wieder am Strand an. Während Phillip uns etwas zu dem Gebiet erzählte, flog über unseren Köpfen ein arktischer Skua - Falkenraubmöwe (Stercorarius longicaudus) und beäugte uns. Als er sich am Boden niederließ waren mal wieder alle Passagiere verschwunden und umringten den Skua.
Wir wanderten mit schmatzenden Stiefeln durch die moorastigen Blumenwiesen der arktischen Tundra, vorbei an brütenden Gänsen und über Schneefelder bis in die Nähe des Vogelfelsens. Wieder flogen unzählige Lummen über unseren Köpfen, die Luft war von ihren Rufen erfüllt. Ein paar Rentiere begleiteten uns, aber diesmal mit mehr Abstand als am Vormittag. Es war idyllisch und friedlich und wir genossen unsere letzte Anlandung.

Am Abend verabschiedet Philipp uns, wir tranken ein letztes Glas Sekt und prosteten damit auf eine gelungene Reise an. Die Mannschaft war prima und der Kapitän absolut genial. Als jedoch ein Lob an die Küche ausgesprochen wurde und alle enthusiastisch Applaus klatschten, konnten wir nur entsetzt schauen.
Leider war auch an diesem Abend das Essen ein Desaster. Absolut zerkochtes Fleisch lag über einem Kartoffelbrei, der aus Chlorwasser hergestellt wurde und schon durch seinen scharfen Geruch ungenießbar war. Dazu gab es ein zermatschtes Blumenkohlröschen. Aber die Krönung war die Nachspeise. Mit viel Tamtam wurden Tabletts mit hellen kuchenartigen Gebilden darauf, die mit Wunderkerzen gespickt waren, aus der Küche getragen. Wir waren gespannt. Wow, Eiskuchen mit Sahne darum – freuten wir uns. Doch was war das. Eis und Biskuite stimmten zwar, aber der Kuchen war steinhart und die Masse darum entpuppte sich als roher Eisschnee, der wohl im Ofen Baiser werden sollte. Hey, so was auf einem Schiff – das geht ja gar nicht!!! Uns wunderte schon, dass nirgends Desinfektionsmittel stand. Auf der ‚Polar Star’ war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass sich jeder vor dem Essen die Hände desinfizierte und hier gab es nur versteckt ein Desinfektionsmittel, fast schon in der Küche. Aber roher Eisschnee, das war wirklich die Krönung!
Wieder ließen wir uns die Chips von der Bar schmecken und genossen dazu ein Glas Wein. Wir hatten viel Spaß an unserem letzten Abend und die Landschaft, die an uns vorbeizog machte uns den Abschied von diesem Naturparadies schwer. Gerne wären wir noch etwas länger geblieben, noch lieber in einer Kleingruppe und nicht mit über 80 Passagieren auf einem Schiff, aber leider kann man als normaler Mensch solche Reisen nur auf diese Weise machen.
Gegen Mitternacht kamen wir in Longyearbyen an. Wir warteten noch vergeblich auf den Flieger aus Oslo, der die neuen Gäste bringen würde, aber die Müdigkeit war stärker.

Als wir am frühen Morgen von Phillip geweckt wurden, war es natürlich wieder taghell, doch diesmal schien keine Sonne.
Nach einem kleinen Imbiss verließen wir sehr früh das Schiff, denn unser Flieger sollte schon um 9 Uhr nach Oslo gehen. Alles klappte hervorragend. Zwei kleine Eisbären verirrten sich am Flughafen noch in unser Gepäck und begleiteten uns nach Hause. In Oslo hatten wir gleich Anschluss nach München und so waren wir um 15 Uhr schon wieder Daheim.

Mit dieser Reise erfüllten wir uns einen weiteren Traum. Wir wollten Eisbären in ihrer natürlichen Umgebung beobachten. Einmal auf Sichthöhe mit einem der gefährlichsten und zugleich vom Aussterben bedrohtesten Tiere sein. Wir wurden belohnt.
Eisbären gehören auf unserer Erde, wie alle anderen Lebewesen auch. Wir sind froh, dass sie in Svalbad geschützt sind und es nicht ohne weiteres möglich ist, einen von diesen einzigartigen Überlebenskünstlern abzuschießen. Leider ist es in Kanada und Grönland immer noch erlaubt Eisbären zu jagen, auch wenn angeblich die Jagdquoten für die Aufrechterhaltung des Bestandes sorgen sollen. - Als ob die Klimaerwärmung nicht schon genug anrichten würde.
Voller Hoffnung sind wir losgefahren und vielleicht etwas bewusster und nachdenklicher zurückgekommen.

Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet. Je mehr jemand die Welt liebt, desto schöner wird er sie finden.

Christian Morgenstern